Ein kleines Peptid mit großem Wirkspektrum

Theoretisch Emeritus - Praktisch Egregius:
Innovationspreis für Prof. Dr. Klaus Brandenburg

Wissenschaftler des Forschungszentrums Borstel (FZB), Leibniz-Zentrum für Medizin- und
Biowissenschaften haben ein Peptid zur Behandlung von Sepsis entwickelt und preklinische Studien erfolgreich durchgeführt und veröffentlicht: Die patentierte Substanz ermöglicht es, in Kombination mit Antibiotika, Sepsis im Tiermodell erfolgreich zu behandeln. Das Peptid ist damit ein vielversprechender Kandidat als neues Therapeutikum gegen Sepsis. Weiterführende klinische Studien sind in Planung. Der "Arbeitskreis der BioRegionen Deutschland" hat das Forschungsprojekt heute auf dem Biotechnologietag in Stuttgart mit dem Innovationspreis 2013 ausgezeichnet.

Bakterielle Infektionskrankheiten sind weltweit eine tödliche Bedrohung obwohl viele von ihnen mit Antibiotika behandelt werden können. Ein Grund hierfür ist, dass Bakterien sehr anpassungsfähig sind – auch gegenüber Antibiotika: Über Veränderungen in ihren Erbanlagen bilden sie Resistenzen gegenüber Medikamenten aus, die uns vor ihnen schützen sollen.

Deshalb gibt es einen dringenden Bedarf an neuen Medikamenten und Wirkmechanismen, die Patienten, die an schwer oder nicht behandelbaren Infektionskrankheiten leiden, helfen. Die Sepsis ist eine lebensbedrohliche Entzündungsreaktion des Organismus auf eine Infektion, die in den meisten Fällen von Bakterien und deren Toxinen verursacht wird. Fatalerweise gibt es bislang keine ausreichenden Therapiemöglichkeiten weshalb jährlich weltweit Millionen Menschen an Sepsis sterben.

Der Herausforderung neue Therapiemöglichkeiten gegen schwere bakterielle Infektionen zu entwickeln, stellt sich der Wissenschaftler Prof. Dr. Klaus Brandenburg zusammen mit Kollegen und Kooperationspartnern: Peptide mit antimikrobieller Wirkung sind vielversprechende Alternativen zu klassischen Antibiotika. Brandenburgs Strategie ist simpel und genial. Er synthetisiert Peptide, die die molekularen Strukturen von Bakterien (Endotoxine), die
vom menschlichen Immunsystem als fremd erkannt werden und in Folge dessen Entzündungsreaktionen auslösen, mit hoher Affinität binden. Dadurch bleiben diese Strukturen von Immunzellen unerkannt und es kommt nicht mehr zu einer systemischen Immunreaktion (wie bei der Sepsis) und deren pathologische Folgeerscheinungen.
"Mit diesem Ansatz wird die Ursache und nicht Folgeerscheinungen der Infektion bekämpft", sagt Brandenburg: "Alle anderen bisher entwickelten und gescheiterten Therapieansätze waren im Wesentlichen auf die Ausschaltung verschiedener Folgeerscheinungen, wie beispielsweise die Neutralisierung von Botenstoffen, wie Interleukine, fokussiert, die daher nicht der Breite des gewaltigen 'Botenstoffsturmes' gerecht werden konnten."

Ehlers: "Das FZB ist als Leibniz-Zentrum dem Motto "theoria cum praxi" verpflichtet."

Infektionsforscher Prof. Dr. Stefan Ehlers, Direktor des Forschungszentrum Borstel sieht in der Entwicklung eines Medikaments, das einer der größten Todesursachen auf Intensivstationen effizient Einhalt gebieten würde, die Krönung für die jahrzehntelangen Anstrengungen im Bereich der strukturbiologischen Grundlagenforschung am FZB. "Genau so konsequent sollte man es machen." lobt Ehlers, "Auch wenn das FZB sich weniger der Sepsisals der Tuberkuloseforschung widmet, kann man den Vorbildcharakter der Vorgehensweise von Klaus Brandenburg nicht hoch genug einschätzen." Die wissenschaftspolitische Bedeutung der Peptid-Strategie Brandenburgs bestehe darin, dass der Wissensdurst und Verständnisdrang eines begeisterten Forschers in einer Institution wie das Forschungszentrum Borstel nachhaltig finanziell unterstützt wurde. Das das Leibniz-Institut verfügt über eine langfristig gesicherte Ausstattung und hat sich relevanten Gesundheitsforschungsthemen verbindlich verschrieben. Somit konnten die Erkenntnisse und therapeutischen Schlussfolgerungen Brandenburgs in experimentellen Modellen rasch einem Praxistest unterzogen werden. "Neue therapeutische Strategien gegen Volkskrankheiten – und dazu gehören Infektionen und deren Folgen wie die Sepsis – kommen nur durch innovative Ideen und einen langen Atem bei deren experimenteller Umsetzung zustande." so Ehlers, "Die Verknüpfung von Grundlagenforschung und angewandter Forschung durch ein gut vernetztes, interdisziplinär arbeitendes Leibniz-Institut war letztlich der Garant für die Weiterentwicklung der Idee sozusagen zum (fast) fertigen Produkt. Für mich liegt die wissenschaftspolitische Bedeutung dieses "Projekts" daher auch darin, dass die Leistungsfähigkeit und Flexibilität einer typischen Leibniz-Einrichtung wieder einmal unter Beweis gestellt
wurde!"

Der Preisträger Prof. Brandenburg (hinten rechts) zusammen mit Kollegen im Labor


Text: Christine Steinhäuser, FZB
Foto: Bettina Brand, FZB